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Auf dem Weg

Zur Lehrtherapie

Es ist nicht schön in den öffentlichen Verkehrsmitteln in diesen Tagen. Die Taschendiebe haben es schwer, da die Menschen auf Abstand gehen. Und doch habe ich es geschafft sozusagen Modellklient einer vermutlich osteuropäischen Diebesbande zu werden.

Ich komme gerade wohlgemut aus dem U-Bahn Tunnel. Im Eingangsbereich des Bahnhofes ist ein kleiner Kiosk, ich erstehe eine Flasche ACE-Drink und zum Auffüllen eine zweite Flasche Prickelwasser. Ich ziehe mein Portemonnaie aus der Hosentasche links hinten, wo ich es seit 50 Jahren trage.

Nun steuere ich zum Ausgang. Vor Treppe und Rolltreppe nehme ich ein merkwürdiges Trio wahr. Zwei dunkelhaarige kräftige junge Männer treiben sich dort scheinbar ohne besonderen Grund herum. Vor der Treppe steht ein augenscheinlich recht klappriger Opa gleicher ethnischer Herkunft mit einem viel zu schweren Metallrollator und versucht denselben die lange Treppe herauf zu heben. Ich denke noch:“ Wie komisch, die Ost-Jungs sind doch sonst immer so hilfsbereit.“ Aber dann höre ich mich voller Empathie sprechen: „Darf ich ihnen helfen?“. Der Opa: „Ja, was soll das!“ Die Rolltreppe ist gesperrt.“ Ich gebe ihm eine meiner Flaschen, er hat komischerweise selbst eine Flasche in der Hand. Im Nu habe ich das Gerät hochgetragen, schließlich kam ich gerade vom Fitnesstraining. Opa entschwindet freundlich dankend Richtung Kreuzung.

 

Innenschau

Nun habe ich 25 min Zeit, bis meine Gestalt-Lehrtherapie  beginnt. Erst steuere ich den Zentralen Omnibus Bahnhof (ZOB) an. Es ist wunderschönes Wetter. Ich setzt mich auf einen Baumstumpf und übe mich in Gewahrsamkeit. Pflanzen, Tiere, Busse, wenige Menschen.

Punkt 12.48 mache ich mich auf Richtung Therapieort. Dort angekommen habe ich noch einmal Gelegenheit zu einer Meditation auf einer wunderbar rustikalen Bank vor der benachbarten Tischlerei. Meine Meditation geht in Richtung Küchen-Renovierungsplanung. 

12.58. Ich stehe auf und merke sofort, dass meine Hose viel zu leicht ist. Die Geldbörse ist nicht dort, wo sie sein sollte. Das Handy schon. Ich schreibe eine SMS an S., dass ich in 10 min da wäre. Ich müsse mein verlorenes Portemonnaie in einem Geschäft abholen. 

In dem Laden versicherte mir die Verkäuferin, ich hätte die Börse nicht abgelegt und ihr 3.50 in bar gegeben. Nun war klar, von wem ich therapiert wurde. Das lächerliche Trio vor der Rolltreppe.

Störungen haben Vorrang

Angekommen bei S., berichte ich gleich bei der Begrüßung von meinem Missgeschick. Es beschleicht mich erstmal ein schlechtes Gewissen, ich würde als übereifriger Therapeutenanwärter zu schnell in den Kontakt stürzen. Natürlich muß ich nun sämtliche Karten sperren. S. ist unheimlich geduldig und wachsam und souffliert mir im Gespräch mit Genosse Sprachportal.

Resilienz

Mit ca. 30 min Gesamtverzögerung setzen wir nun die Lehrtherapie fort. Der Kontaktprozess mit den Themen der Ausbildung beginnt quasi sofort. Dazu müßt  ihr wissen, daß ich vor  4 Jahren wegen Aggressions- und Fokussierungsproblemen meine perönliche Gestalttherapie  begann.

Ludwig C. Pfingsten

Ludwig C. Pfingsten

Verfasser mehrerer Arbeiten zu den Themenschwerpunkten Musikpädagogik, Kommunikationswissenschaft und Persönlichkeitspsychologie.

Ludwig C. Pfingsten

Ludwig C. Pfingsten

Verfasser mehrerer Arbeiten zu den Themenschwerpunkten Musikpädagogik, Kommunikationswissenschaft und Persönlichkeitspsychologie.